Einzigartige monochrome Kostümwelt

Einzigartige monochrome Kostümwelt –
das Kostümkonzept für Mädchenschule

Kostüme bieten viele Möglichkeiten eine Geschichte und Figur zu erzählen. In der Produktion Mädchenschule stehen sie in enger Verbindung mit dem Video. Lena Kremer, Kostümbildnerin des Stücks Mädchenschule, hat uns in einem Gespräch Einblicke in das Berufsfeld der Kostümbildner*in, in die Entwicklung und kreative Arbeit hinter dem Kostümbild des Stücks Mädchenschule gewährt. Wie entsteht ein Kostümbild? Was sind die Besonderheiten bei dem Kostümkonzept für Mädchenschule?

Das Konzept

Wie sieht dein Kostümkonzept aus? Was hat dich inspiriert?

Ich hoffe, dass alle das Stück bereits gesehen haben, oder damit einverstanden sind, nun gespoilert zu werden.

Da ich gemeinsam mit der Regisseurin Anna Tenti schon öfter arbeiten durfte, wusste ich bereits, dass viele Umzüge eher nicht infrage kommen, die Figurenkonstellation wahrscheinlich aber um so komplizierter ist – das stellt besondere Anforderungen an das Kostümbild. Für uns war es in der Vergangenheit, aber auch bei dieser Produktion, ein Ziel, die einzelnen Elemente auf der Bühne, auch die Kostüme, unkompliziert transformieren zu können, sodass sie mehrere Ebenen bespielen und verkörpern können.

Beschreibung des Konzepts



Es gibt vier Schauspieler*innen auf der Bühne, die einzelne Figuren verkörpern, jedoch ist im Original eigentlich eine fünfte Rolle vorgesehen. Diese letzte Figur stellt jedoch mehr eine weitere Erzähl-Ebene oder, anders formuliert, eine weitere Perspektive auf das Geschehen, dar. Alle Figuren verkörpern diese Figur gemeinsam als Gruppe. Die vier Figuren auf der Bühne sind ein Physiklehrer und drei Schülerinnen, die plötzlich auftauchen und ihn vor ein seltsames Rätsel stellen, in dem es um Politisierung, Rebellion, aber auch um ein verdrehtes Raum-Zeit-Gefüge und den Weltraum geht. Der Lehrer ist in der „Realität“ zu verorten, während ich die Schülerinnen mehr als eine Art Geister aus der Vergangenheit oder auch Aliens interpretiert habe.

Eigentlich spielt das Stück in Chile. Für mich war jedoch klar, dass die Themen in Mädchenschule brandaktuell sind und uns alle gleichermaßen betreffen, dass ich diesen Punkt bei der Gestaltung der Kostüme komplett außen vor gelassen habe.

Entwurf des Kostüms für den Physiklehrer. Er trägt einen beige-gräulichen Anzug mit weißen Muster, Physikformeln. Unter der Anzugjacke trägt er ein weißes Hemd, passend dazu weiße Schuhe. Er steht mit den Händen in den Hosentaschen vor den einzelnen, grauen Platten, die teils direkt hinter dem Lehrer auf dem Boden liegen und drei graue Platten sind auf Staffeleien aufgestellt. Einige der Platten sind mit weißer Kreide beschriftet.
Der Lehrer (rechts) trägt einen Anzug. Der*Die drei Schüler*innen neben ihm sind in weiß gekleidet und tragen weiße Perücken.

Stattdessen wollte ich im dunklen Bühnenbild, das sich aus unzähligen anthrazitfarbenen Tafeln zusammensetzt, Figuren sehen, die eine Leinwand sein könnten. Für jeden Zuschauer sollte eine Projektionsfläche entstehen, in die man die eigene Perspektive auf den Inhalt des Stückes und der angesprochenen Themen projizieren kann. Am Ende war das Stück dann doch deutlich näher an Chile, als ich es erwartet hatte – grundsätzlich finde ich den Kontrast mit den zeitlich und örtlich nicht eingeordneten Kostümen dennoch passend.

Neben dem geisterhaften Alienlook ist das Kostümbild auch von popkulturellen Elementen geprägt. Das Stück richtet sich explizit an ein junges Publikum. Daher spielen die Bühnenkostüme bekannter Sänger*innen, wie zum Beispiel Ariana Grande oder Kunstfiguren auf Youtube, wie „Poppy“, auch eine Rolle.

Die Schüler*innen haben zudem etwas „uniformiertes“, sehen sich sehr ähnlich ohne wirklich eine Schuluniform zu tragen. Ich hoffe, dass durch die monochrome Farbgebung und die hellen Perücken den Zuschauern unklar ist, ob es sich wirklich um Schüler*innen oder um Fantasiewesen handelt. Dieses Rätsel zieht sich auch für den Lehrer durch das gesamte Stück.

Kostümentwürfe für die drei einzelne*n Schüler*innen – zwei Frauen und ein Mann. Sowie dem Gruppenbild bestehend aus den drei Schüler*innen. (© Lena Kremer)

„Lena C. Kremer hat alle in weiße Kostüme gesteckt und die Schülerinnen mit identischen langhaarigen, ebenfalls weißen Perücken ausgestattet. Das kommt ihrem tollen Videokonzept zu Gute. Denn wenn Szenen aus der Vergangenheit gespielt werden, wechselt das Licht und kunstvolle Videos flackern über die Protago­nisten, die nach ihrem 90-minütigen Spiel ausgiebig bejubelt werden.“

Ruhr Nachrichten, 18.10.2021

Kostüm und Video

Wie sieht das Zusammenspiel von Kostüm und Video aus?

Die Figuren in ihrer weißen Kleidung sind nicht nur für die Zuschauer eine Leinwand, auf die sie ihre eigene Haltung zum Inhalt des Stückes projizieren können, sondern sind auch die Fläche, auf der die Rolle des „gealterten Jungen“ über Videosequenzen dargestellt wird. In den Szenen, in denen diese fünfte Figur von allen Schauspieler*innen gemeinsam dargestellt wird, entstehen im Raum und auf den Kleidungstücken und Schauspieler*innen ganz neue Figuren, Farbflächen und Bewegungen.

Beispielbilder für das Zusammenspiel von Kostüm und Video vor den Proben (Bilder: 1-3 © ) und final auf der Studiobühne (Bilder: 4-6 © Birgit Hupfeld)

Tobias Hoeft aus der Videoabteilung vom Schauspiel hat das Ganze dann noch viel besser, größer, schöner umgesetzt, als ich es mir hätte vorstellen können.

Durch die Szenen, in denen die Videos eingesetzt werden, entsteht eine ganz einzigartige Dynamik, die Mädchenschule auch von anderen Stücken unterscheidet.

Wie wird das Video auf das Kostüm projiziert?

Wir haben uns bereits vor Probenbeginn einmal im Raum getroffen und haben eine technische Probe gemacht. Mit Platzhalter-Videos haben wir die Einspieler, die es am Ende geworden sind, simuliert und mit weißer Kleidung getestet, wie es aussehen wird. Da das gut geklappt hat, konnten wir eine Vorauswahl treffen.


Darüber hinaus habe ich dem Team vorab die Entwürfe als Videodatei zukommen lassen, damit sie sich etwas genauer einen Eindruck von der Idee machen können.

Der Beruf der/des Kostümbilner*in

Was macht eine Kostümbildner*in? Wie sieht der Beruf aus?


Ein*e Kostümbildner*in stimmt sich gemeinsam mit dem Regieteam vor Beginn der Produktion über Look-and-Feel des Stückes ab. Manchmal entwickeln sich die Kostüme auch während der Proben. Das bedeutet im ersten Schritt, ganz viel zu lesen, viele Informationen zu sammeln und im zweiten Schritt dann noch mehr Teamwork. Ein gutes Kostümbild ist immer mit den anderen Gewerken, wie zum Beispiel Licht, Bühne oder Dramaturgie, abgestimmt.

Kostümbildner*in

Kostümbilder designen und optimieren Kostüme für Theater-, Opern- oder Filmauftritte. Dabei achten sie darauf, dass die Kostüme zu den Charakteren, dem Bühnenbild und der Stimmung der jeweiligen Produktion passen.

Für mich war es dieses Mal besonders einfach, da drei wichtige Mitglieder des Regieteams fest am Schauspiel Dortmund arbeiten. Mit diesem Heimvorteil war die Abstimmung und Konzeption noch einfacher. So findet man sich viel schneller im Gebäude zurecht und wird direkt an die*den richtige*n Ansprechpartner*in verwiesen.

Ein Moodboard ist eine Collage, die Texte, Zeichnungen, Bilder, Muster und Stoffe enthalten, um einen ersten Eindruck, eine Stimmung zu vermitteln. Hier sind verschiedene Beispielbilder für Look, Haare und Outfit zu sehen sowie ein Beispiel für den Druck. Rechts befinden sich Verlinkungen zu zwei Beispielvideos, die die Idee des Konzepts weiter untermalen sollen.


Grundsätzlich bespielt man als Kostümbildner*in eine wichtige optische Ebene, gibt den Figuren auf der Bühne visuell einen ganz eigenen Charakter und kann so auch aktiv einen Teil zum Storytelling beitragen. Wir alle kommunizieren jeden Tag mit unserer Kleidung ohne Worte und bringen unsere Identität zum Ausdruck.

In überspitzter Form kann man diesen Mechanismus auf der Bühne nutzen und die Schauspieler*innen dabei unterstützen, die Figuren und Rollen mit ihren Inhalten zu zeigen. Letztendlich erzählen wir im Theater komplexe Geschichten in sehr kurzer Zeit. Da ist es besonders wichtig, jeden kleinen Baustein, wie zum Beispiel die Kostüme, zu nutzen, um dazu beizutragen.

Die Arbeit vor Ort und die Zusammenarbeit mit der Kostümassistenz

Ansonsten ist es wichtig zu erwähnen, dass es in den meisten Schauspielhäusern eine eigene Kostümabteilung gibt. Im Schauspiel Dortmund liegt sie direkt im Nachbargebäude der Bühne und die Wege sind ganz kurz. Als Kostümbildner*in hat man im besten Fall eine Assistent*in, bei Mädchenschule Ksenia Sobotovych, die uns jederzeit tatkräftig unterstützt hat. Gemeinsam mit Ksenia Sobotovych sind wir sozusagen das Bindeglied zwischen Kostümabteilung mit Herren- und Damenschneiderei und dem Regieteam. Da geht es auch viel darum, das Budget im Auge zu halten und dennoch den kreativen Spielraum auszunutzen und die Anforderungen der Regie und der Schauspieler*innen zu erfüllen, ohne den zeitlichen und logistischen Rahmen der Abteilung zu sprengen.

Übrigens wurde der Stoff für den Anzug des Lehrers extra gedruckt und der Anzug maßgefertigt. Auch einige Teile der Schülerinnenkostüme sind extra für die Produktionen von den Damen- und Herrengewandmeister*innen hergestellt worden.
Ksenia Sobotovych hat uns dann umso mehr während der Proben unterstützt. Die Schauspieler*innen bekommen vor den Endproben eine Art „Platzhalter“-Kostüm, mit dem sie bereits proben können. Je näher die Kostüme und Perücken an das Original reichen, desto besser. So können die Schauspieler*innen während der Proben entdecken, welche Möglichkeiten die Kostüme zum Spielen eröffnen. Manchmal stellt man jedoch auch als Kostümbildner*in fest, dass ein Konzept oder einzelne Teile im Spiel keinen Sinn ergeben. Dann muss man auch hier nachjustieren.
Zusammengefasst ist es als Kostümbildner*in besonders wichtig, gute Kommunikationsskills mitzubringen.

Zur Person: Lena C. Kremer

Wer bist du?

Lena C. Kremer

Beruflich in zwei Bereichen zu Hause, Social Media und Kostümbild & Videoinstallation.

Instagram



Ich bin Lena, Mitte zwanzig aus Köln, habe Design studiert und bin eigentlich im Social Media Bereich tätig. In den letzten zwei, drei Jahren habe ich jedoch einen kleinen Exkurs in die Theaterwelt gewagt und mich vor allen Dingen als Kostümbildnerin, vereinzelt aber auch im Bereich Videoinstallation, versucht.

Bei einer Assistenz am Schauspiel Köln habe ich die Regisseurin Anna Tenti kennengelernt. Ich habe mich sehr gefreut, als sie mich für die Produktion von Mädchenschule am Schauspiel Dortmund angefragt hat und ich so das Ensemble und Team vor und hinter der Bühne treffen durfte. Ich habe euch heute ein bisschen etwas von der Produktion Mädchenschule und dem Kostümbild erzählt.

Coming soon

Videokonzept

Tobias Hoeft berichtet….

Coming soon

Bühnenbild

Nane Thomas erzählt….

Mädchenschule