Die doppelte Bühnenwelt

Das Bühnenbild von Das Mrs. Dalloway Prinzip / 4.48 Psychose

Ein Abend, zwei Stücke und zwei Bühnenwelten. Die Inszenierung Das Mrs. Dalloway Prinzip / 4.48Psychose verbindet zwei Texte zweier Autorinnen miteinander und schafft einen Doppel-Abend über Vergangenheit, Gegenwart und die mögliche Zukunft, die ineinander fallen. Der Doppel-Abend spielt sich in zwei Bühnenbilder.

Wie sehen die beiden Bühnenbilder aus? Wie entstehen sie? Welche Schritte verbergen sich hinter dem Entstehungsprozess? Bühnenbildnerin Lydia Merkel nimmt uns mit auf die Reise der beiden Bühnenbilder des Doppel-Abends Das Mrs. Dalloway Prinzip / 4.48 Psychose.

Vom Konzept zum fertigen Bühnenbild

Wie hast du dich auf das Bühnenbild vorbereitet? Wie lange dauert es von der Skizze bis zum fertigen Bühnenbild? Welche Schritte gibt es dabei?

Die Vorbereitungszeit und der Weg zum Ziel sind sehr unterschiedlich. Je nachdem, ob das Stück schon besteht oder erst noch entwickelt werden muss, ob einem die Thematik vertraut ist oder man sich noch Dinge „aneignen“ muss. In diesem Fall war der Weg, um eine Literatur-Symbiose zu finden, ein längerer, da es diese Art von Stück und Textverknüpfung noch nicht vorher auf der Bühne gab. Wir haben viel recherchiert. Zwischen Idee und Premiere von Das Mrs. Dalloway Prinzip / 4.48 Psychose liegen sicher ein Jahr.

Ideen und erste Schritte

Im ersten Schritt geht es für mich immer darum, den Stoff zu lesen, zu begreifen und die inhaltliche Recherche, die damit einhergeht. Die Assoziationen und Verknüpfungen versuche ich in Bildern zu sammeln, um sie dann im Team/mit Selen Kara (Regisseurin) zu besprechen. Durch die jahrelange gemeinsame Erfahrung stoßen wir auf auf dieselben Fragen und Schlagwörter, die uns interessieren und füllen diese mit Bildwelten/einer gemeinsamen Fantasie.

Im nächsten Schritt kontaktiere ich dann die Theater, um mich mit den technischen Begebenheiten vertraut zu machen. Nicht jedes Haus funktioniert gleich – es gibt oft unterschiedliche Möglichkeiten. Gibt es Podien, gibt es Drehscheiben? Wie ist der Schnürboden ausgestattet? Wie sind die Dimensionen? Sind Seitenbühnen vorhanden? Lagerkapazität? Manpower? usw..

1. Schritt – ca. ein Jahr vor der Premiere

Ideen sammeln

Assoziationen und Verknüpfungen

1. Schritt – ca. ein Jahr vor der Premiere
2.Schritt

Kontakt mit Theater

2.Schritt

Die leere Schauspielhausbühne dient zur Orientierung und als Inspiration. In einer maßstabsgetreuen Miniatur der Bühne wird ein Modell des Bühnenbilds angefertigt. Auf der leeren Bühne findet auch die Bauprobe statt und hier wird zu Beginn der Endproben, das erste Mal das fertige Bühnenbild aufgebaut werden. (Bilder: ©Louisa Robin)

Entwurf und letzte Korrekturen

Mit diesen Rahmenbedingungen mache ich mich dann an den Modellbau und die Entwürfe. Für die Bühnenbildner*innen gibt es oft weit vor Probenbeginn wichtige Termine, die für den Prozess der Entstehung einzuhalten sind.

Es gibt als erste Deadline für die Theater die Modellabgabe, bzw. Bauprobenvorbereitung, wo die Idee in Modell, Zeichnung, Bild und Schrift das erste Mal ans Haus in die Abteilungen geht und auf Machbarkeit überprüft wird. Diese Termine finden ungefähr ein halbes Jahr vor der eigentlichen Premiere statt.

Danach gibt es die so genannte Bauprobe. Eine Dimensionierungsprobe auf der Bühne, bei der die Abteilungen den Entwurf auf der Bühne schematisch übertragen/ vorbauen und das gesamte Team und Haus die Funktionalität und Realisierung bespricht.

Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen geht es für die Bühnenbildner*innen erneut ans Zeichnen und „Korrigieren“ und fertig ausgestalten.

Dann gibt es einen Termin mit den Werkstätten, wo der gesamte Entwurf konstruktiv besprochen wird. Auch hinsichtlich Einhaltung des Etats, Anfertigungen, Zeitplanung, Werkstattkapazitäten usw.

3. Schritt – halbes Jahr vor der Premiere

Modellbau und -abgabe

3. Schritt – halbes Jahr vor der Premiere
4. Schritt

Bauprobe

Dimensionsprobe auf der Bühne

4. Schritt
5. Schritt

Korrekturen

5. Schritt
6. Schritt

Termin mit Werkstätten

6. Schritt

Modellentwürfe der beiden Bühnenbilder – Bild 1: Das Mrs. Dalloway Prinzip; Bild 2: 4.48 Psychose (Bilder: ©Lydia Merkel)

Der sinnlich-kreative Entwurfsprozess geht dann über in die Realisierbarkeit. Hier schließt sich für mich der Kreis zum Architekturstudium. In der Architektur wird auch in neun Bauphasen gedacht und geplant. Von der Vorplanung über die Ausführungsplanung bis hin zur Objektbewachung. Es gibt viele Parallelen zwischen Architektur und Bühnenbild und die Studiengänge sind sehr gut kombinierbar.

Die Bühnenwelt entsteht

Zum Probenstart mit den Schauspieler*innen ist der Bauprozess in den Werkstätten also meist schon in vollem Gange.

Das zeigt allerdings genau die „Lücke“ am Theater auf – wenn die sprudelnden Schauspieler*innen dazukommen und beginnen, ihre Rollen zu füllen, ist oft wenig Spielraum für neue baulich-räumliche Ideen. Bei der entstehenden Inszenierung muss das in den Werkstätten gefertigte Bühnenbild gut mitgedacht werden, um Fragezeichen auf den ersten Bühnenproben zu vermeiden.

Es ist ein komplexer, verzahnter Prozess bis hin zur Premiere vor Publikum.

7. Schritt

Bau des Bühnenbilds

7. Schritt
14.11.2020/25.09.2021

Premiere

14.11.2020/25.09.2021

Die beiden fertigen Bühnenbilder – Bild 1: oben Detailaufnahme vom Schachbrett von 4.48 Psychose, unten Detailaufnahme der Blätter des Baums von Das Mrs. Dalloway Prinzips; Bild 2 oben Das Mrs. Dalloway Prinzip, unten 4.48 Psychose (Bilder: ©Lydia Merkel)

Wie sieht das Bühnenbild aus?

Es ist ein Abend an dem zwei Stoffe, die scheinbar sehr verschieden sind, eine Symbiose eingehen. Diese Symbiose nehmen wir auch ästhetisch strukturell sowohl in der Bühne als auch im Kostüm auf. Es ist sehr stark formen- und farbengeprägt.

Es geht um Gedankenströme, äußere und innere Zwänge, sowie um Spielregeln und Strukturen. In Zusammenarbeit mit Selen Kara (Regisseurin), Christopher-Fares Köhler (Dramaturg), Anna Maria Schories (Kostümbildnerin) und Torsten Kindermann (Musik) haben wir ein Spiel-Prinzip entwickelt, das die Akteur*innen in verschiedene Handlungsstränge und Verhaltensmuster bringt. Die Bühne bereitet ein Tableau, auf dem die Schauspieler*innen ihren Beziehungskonstellationen ausgeliefert sind. Man muss dazusagen, dass beim Bühnenbild diesmal auch die Coronaverordnungen eine Rolle gespielt haben, da klar war, dass auf Abstand gespielt werden muss, haben wir uns das auch als Spielprinzip zu eigen gemacht.

Das Mrs. Dalloway Prinzip

Das Mrs. Dalloway Prinzip spielt auf der Vorbühne, in weiß, mit unterschiedlich hohen musealen Ebenen. Die Schauspieler*innen darin wie Ausstellungsstücke. Eine Erzählerin verknüpft die Handlungsstränge und bereitet die Wege, die sich auch im Kane-Teil wiederfinden und rückwärts abspulen.

Das Bühnenbild von Das Mrs. Dalloway Prinzip auf der Vorderbühne des Schauspiels. Hinter der weißen Wand verbirgt sich der zweite Teil des Abends. ©Birgit Hupfeld

4.48 Psychose

Der Kane-Teil ist schwarz mit dem gleichen strukturellen Spielnetz und graphischen Verknüpfungen. Das Spielprinzip, das am Anfang eingeführt wird, rollt an und wird durch technische Komponenten in eine nächste Dimension gebracht. Die Geschehnisse nehmen Fahrt auf (Drehscheibe und fahrbarer Plafond) und sind nicht mehr aufzuhalten.

Das Bühnenbild von 4.48 Psychose auf dem hinteren Teil der Bühne. Auf der Drehscheibe steht ein Schachbrett, darüber schwebt der fahrbare Plafond. ©Birgit Hupfeld

Welches Material wurde für das Bühnenbild verwendet?

In unserem Entwurf sind Standard-Theatermaterialien wiedergenutzt und verwendet worden. Holz, Holzpodeste, Metall, Zargenkonstruktion, Folie, Farbe, Plexiglas und Licht.

Der Beruf Bühnenbildner*in

Was macht eine Bühnenbildner*in?


Als Bühnenbildner*in kreiert man Räume, Welten und „schafft“ Bilder. Es ist im besten Fall eine Symbiose zwischen Regie-Spiel-Kunst-Idee. Es ist immer ein Teil eines Teams, die Texte aus neuen Blickwinkeln betrachten und eigene Bildsprachen dafür finden.

Bühnenbildner*in

Bühnenbildner*innen entwerfen Kulissen für Theaterinszenierungen, Filmaufnahmen oder Fernsehstudios. Das tun sie aber nicht allein, sondern in enger Zusammenarbeit mit dem Regisseur und dem Dramaturgen.

Es gibt dadurch auch nicht DEN einen Bühnenbildner*in. Jeder bedient sich anderer Ausdrucksmittel und Formen, um die Idee lebendig werden zu lassen. Zum lebendig werden lassen, benötigt es sicher eine Art Handwerk und den bestimmten Blick – aber auch hier prägt den Stil die Herkunft und den Weg, über den man zum Theater gefunden hat.

Für mich gehört es ganz klar als Bühnenbildnerin dazu, die Texte und Stoffe über Bilder zu visualisieren. Ich starte mit Zeichnungen, Collagen, Fotografien, Stoffen, Muster und im nächsten Schritt dann mit Modellbau und Dimensionalisierung um die Entwürfe greifbarer zu machen. Es ist für mich ein sehr sinnlicher Beruf und in der ersten Etappe des Entwurfs eine wahnsinnig kreative sprudelnde Arbeit. Diese mündet dann später in der Umsetzung und Koordination viel in Kommunikationsprozesse. Allerdings stehe ich als Bühnenbildnerin in großer Abhängigkeit – ohne Regie, Teams, Abteilungen, Werkstätten und Technik wären die ganzen bunten Entwürfe nur Seifenblasen.

Zur Person: Lydia Merkel

Wer bist du und wie bist du zum Theater gekommen?

Lydia Merkel

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Ich bin Lydia Merkel, Bühnenbildnerin aus Düsseldorf, ursprünglich aus Rüdersdorf bei Berlin. In Rüdersdorf bin ich zur Schule gegangen. In Berlin habe ich dann mein Studium gestartet – Architektur.

Zum Theater gibt es nicht diesen EINEN klassischen Weg und auch bei mir entstand die Liebe erst über Umwege. Während des Architekturstudiums ist meine Prof. Kerstin Laube auf mich aufmerksam geworden, die auch den Master-Studiengang an der TU BERLIN „Bühnenbild-Szenischer Raum“ leitet und mein Interesse geweckt hat. Im Masterstudiengang selbst hatte ich unglaublich Glück, von meinem Prof. Frank Hänig unterstützt zu werden. Er LEBT Theater und hat mit seinen Geschichten meine Leidenschaft geweckt und mich dann nach dem Abschluss als Ausstattungsassistentin mit ans Theater Krefeld-Mönchengladbach genommen. So hat die Reise begonnen…

Man braucht Menschen in dieser Theaterwelt, die an einen glauben. Auch Stephan Wasenauer und Anselm Weber verdanke ich auf diesem Weg, dass sie an mich geglaubt und mir Chancen zum Weiterkommen gegeben haben. Mit meiner Regiekollegin Selen Kara verbindet mich ebenfalls eine lange Zusammenarbeit. Sonst wäre ich jetzt sicher nicht in dieser Etappe, in der ich mich jetzt befinde.

Das Mrs. Dalloway Prinzip / 4.48 Psychose

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